Am 29. Oktober 2011 machten AtomkraftgegnerInnen mit Kundgebungen und Aktionen in zahlreichen Städten gegen den bevorstehenden Castortransport von La Hague nach Gorleben mobil. Dieser soll am 24. November starten. An einer Kundgebung in Lüneburg beteiligten sich am Samstag rund 200 Menschen.
Acht von ihnen mit der eigenen Veranstaltung in luftiger Höhe.
Als die ersten drei KletteraktivistInnen das Dach des Busbahnhofs erklommen, um ein Transparent mit der Aufschrift « Nicht schlapp machen, dicht machen vor der Atomlobby « aufzuhängen, kamen der Lüneburg Polizeidirektor Brauer und der Einsatzleiter des Tages Reinke herbeigeeilt. Die Aktion unterbinden konnten sie nicht, denn die KletterInnen befanden sich bereits außerhalb ihrer Reichweite. Nicht schlecht staunten dann die beiden hochrangigen Polizeibeamten, als im Zwei-Minuten Takt das Dach des Bahsteigs auf der Westseite und dann das Dach des Hauptbahnhofs ebenfalls besetzt wurden. « Fukushima mahnt – Atomausstieg sofort » und « Stopp Castor » stand auf den Transparenten.
Beifall erhielten die KletterkünstlerInnen von den KundgebungsteilnehmerInnen unten.
Die Aktion in Lüneburg erfolgte auf der Initiative von bundesweit vernetzten KletterInnen hin – darunter AktivistInnen von Robin Wood.
In einer vorab veröffentlichten Pressemitteilung hatte der Verein seine Unterstützung für die Proteste am Castor-Streckenaktionstag angekündigt und die Absage des Castortransportes nach Gorleben gefordert: Der mit viel Aufwand und gegen jahrzehntelangen Widerstand der Bevölkerung angekarrte Müll wird in Gorleben provisorisch in einer oberirdischen Halle zwischengelagert. Gegen die Einlagerungsgenehmigung laufen Klagen. Strahlenmessungen hatten ergeben, dass bei Einlagerung zusätzlichen Atommülls eine Überschreitung der Grenzwerte droht. Obwohl das Atommüll-Problem ungelöst ist, sind in Deutschland neun Atomkraftwerke und weitere Atomfabriken wie die Urananreicherungsanlage in Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen weiterhin in Betrieb. Dadurch wächst der Atommüllberg. Erst kürzlich wurde bekannt, dass Atomabfälle aus Gronau, die stärker strahlen als erwartet, nun ebenfalls in Gorleben versenkt werden sollen.
„Es ist sinnlos und gefährlich, Atommüll quer durch Europa zu karren. Damit soll nur vertuscht werden, dass es kein sicheres Endlager gibt. Wir wollen mit unseren Aktionen Menschen Mut machen, sich gegen diesen atomaren Wahnsinn zu wehren – wir sehen uns wieder auf der Castor-Strecke, wenn der Castor kommt!“, begründete Robin-Wood-Aktivistin Cécile ihre persönliche Beteiligung.
Nach der Kundgebung am Bahnhof fand eine bunte Fahrraddemonstration entlang der Castorstrecke statt. Nach Durchfahrt der Demonstration sammelte die Polizei alle Widerstandssymbole ein, die die AtomkraftgegnerInnen hinterlassen hatte. Die Staatsmacht sorgt dafür, dass die BürgerInnen den Protest in ihrem Alltag so wenig wie möglich wahrnehmen. Schließlich hat die Regierung einen angeblichen Atomausstieg verkündet, die Menschen sollen dies gefälligst als Beruhigungspille schlucken und daran glauben, bloß nicht kritisch hinterfragen, was eigentlich Sache ist!
Am Samstag schreckte die Polizei vor absoluten Willkürmaßnahmen nicht zurück – wie die AktivistInnen, die am Vormittag kletternd demonstrierten, es dann im Wald an der Castor-Strecke zu spüren bekamen. Ob dies ein Vorgeschmack zu der « Deeskalationspolitik » der Behörde für die Heiße Phase war?
Polizeiwillkür entlang der Castor-Strecke
Die inzwischen 10-köpfige Kletter-Gruppe traf sich nach der Bahnhofsaktion an der Castor-Strecke, im Lüneburger Wald Höhe Tiergarten, zusammen. Es wurde zuerst gemütlich ausgepackt und gegessen. Bald zeigte sich Polizeieinsatzleiter Reinke persönlich – AktivistInnen Überwachen und quer durch die Stadt verfolgen, das kann die Polizei gut. Der Einsatzleiter sprach die Gruppe allerdings nicht an.
Die AktivistInnen hatten sich im Wald verabredet, um eine Kletterübung mit einer sinnvollen Aktion zu verbinden: als Zeichen des Antiatomwiderstands wollten sie gelbe Xe aus Holz in den Bäumen über Waldwegen an der Castor-Strecke aufhängen. Eine eigentlich durch die Meinungs- , Kunst- und Versammlungsfreiheit gedeckte Handlung…
Aber wenn der Castor kommt… werden Grundrechte vom Staat gerne außer Kraft gesetzt… Dies geschah am Samstag im Wald. Kaum war die erste Aktivistin in einem Baum gelangt, wurde die Gruppe umstellt. Nach und nach wurde die Kletterausrüstung der AktivistInnen am Boden beschlagnahmt – mit der Begründung, die AktivistInnen würden sich in der Nähe eines « gefährdeten Objektes » befinden. Ein Polizeibeamter drohte einer Aktivistin sogar an, wenn sie nicht mitmache, werde man sie mitnehmen und „Gewalt anwenden“.
Die Polizei beschlagnahmt Klettermaterial,
weil die Demonstrantinnen sich in der Nähe eines « gefährdeten Objektes » befinden…
Die Äste der Bäumen ragten nicht ein mal über der Castor-Strecke. Zwischen ihnen und den Gleisen befand sich ein öffentlicher Weg; Kinder spielten dort parallel. Die Polizei ignorierte die bereits in den Bäumen befindliche Aktivistin. Es war offensichtlich für alle Zuschauenden: um eine konkrete « Gefahr » ging es der Polizei nicht. Den Beteiligten kam die Polizeiaktion wie eine Racheaktion für die Protestversammlung am Vormittag am Bahnhof vor. An konstruktive Gespräche mit den Beamten war nicht zu denken. Sie verwiesen stur auf den Befehl von Polizeidirektor Brauer. Für die Kletterin, die es im Baum geschafft hatte, stellte die Beschlagnahmung des Kletterzeugs der anderen nicht nur ein Verstoß gegen Grundrechte wie Meinungsfreiheit, auch eine körperliche Gefährdung für sie dar, weil niemand mehr zu ihr klettern könne, sollte sie in ihrem Baum in Schwierigkeit geraten. Sich jederzeit gegenseitig retten zu können gilt unter Kletter_innen als Grundsatz. Als sie dies anmerkte, erhielt sie allerdings nur Grinsen und die wörtliche Bemerkung von Polizeibeamter Helmig: « sie kann ja ins gebüsch springen dann fällt sie nicht so hart«
Klettern und Demonstrieren neben Waldwege ist verboten…
Kinder dürfen aber auf den Gleisen spielen, trotzt Polizei in der Nähe
Im Hintergrund die Unterkunft der Überwachungseinheiten der Polizei
Die AktivistInnen überlegen sich, gegen die Beamten juristisch vorzugehen: „diese Polizeiwillkür und vorsätzliche Inkaufnahme von Gefährdung von Menschen will ich mich nicht einfach so gefallen lassen. Ich will sie öffentlich machen“ erklärte eine Beteiligte.
Wir können auf die Erfindungen der Polizei zur Vertuschung ihrer rechtswidrigen Handlung vor Gericht gespannt sein…
Zunächst gilt es aber sich dem Castortransport in den Weg zu stellen. Der Castor-Streckenaktionstag war nur der Beginn der heißen Phase!
Presseschau
* NDR mit Bildergalerie
* Landeszeitung, auch mit Bild
* AFP, auch mit Bild
* die Kreisboten, ebenfalls mit Bild