Urantransporte – Wir sehen uns im Hafen oder an der Strecke

Eichhörnchen-Artikel, Erstveröffentlichung in der Zeitschrift GWR 407 von März 2016

Es war der 11. März 2011 als nach einem schweren Erdbeben und einem Tsunami zwei Atomkraftwerke im japanischen Fukushima explodierten. Mehr als 150.000 Menschen mussten umgesiedelt werden, die meisten von ihnen ohne die Chance, jemals wieder zurückzukehren. Die Zahl der Schilddrüsenerkrankungen bei Kindern geht in die Tausende, viele andere Strahlenerkrankungen werden folgen. Weltweit gingen Hunderttausende gegen die Atomkraft auf die Straße. In Deutschland nötigte der Druck von der Straße die PolitikerInnen zum Versprechen eines Atomausstiegs. Doch: was bleibt fünf Jahre danach davon übrig? Kann wirklich von Atomausstieg die Rede sein?

AktivistInnen, die sich schon lange mit dem Thema beschäftigen, beantworten diese Frage mit einem klaren Nein. Atommeiler produzieren weiterhin Atommüll, obwohl die Entsorgungsfrage ungelöst bleibt. Die Versorgungsanlagen der Atomindustrie wie die Urananreicherungsanlage Gronau und die Brennelementefabrik Lingen dürfen zeitlich unbefristet weiter laufen. Damit werden Pannenreaktoren in aller Welt beliefert, darunter die belgischen rissanfälligen AKW (vgl. GWR 406). Glauben die PolitikerInnen etwa, dass die Radioaktivität an der Grenze halt macht? Atomanlagen gehören weltweit und überall abgeschaltet!

Eichhörnchen-Artikel, Erstveröffentlichung in der Zeitschrift GWR 407 von März 2016

Es war der 11. März 2011 als nach einem schweren Erdbeben und einem Tsunami zwei Atomkraftwerke im japanischen Fukushima explodierten. Mehr als 150.000 Menschen mussten umgesiedelt werden, die meisten von ihnen ohne die Chance, jemals wieder zurückzukehren. Die Zahl der Schilddrüsenerkrankungen bei Kindern geht in die Tausende, viele andere Strahlenerkrankungen werden folgen. Weltweit gingen Hunderttausende gegen die Atomkraft auf die Straße. In Deutschland nötigte der Druck von der Straße die PolitikerInnen zum Versprechen eines Atomausstiegs. Doch: was bleibt fünf Jahre danach davon übrig? Kann wirklich von Atomausstieg die Rede sein?

AktivistInnen, die sich schon lange mit dem Thema beschäftigen, beantworten diese Frage mit einem klaren Nein. Atommeiler produzieren weiterhin Atommüll, obwohl die Entsorgungsfrage ungelöst bleibt. Die Versorgungsanlagen der Atomindustrie wie die Urananreicherungsanlage Gronau und die Brennelementefabrik Lingen dürfen zeitlich unbefristet weiter laufen. Damit werden Pannenreaktoren in aller Welt beliefert, darunter die belgischen rissanfälligen AKW (vgl. GWR 406). Glauben die PolitikerInnen etwa, dass die Radioaktivität an der Grenze halt macht? Atomanlagen gehören weltweit und überall abgeschaltet!

Die Versorgungstransporte der Atomindustrie stoppen

Es sind Gründe genug, am Anfang der Brennstoffkette anzusetzen, um Unfälle und Atommüll zu verhindern, bevor sie entstehen. Antiatomgruppen und EinzelaktivistInnen rufen – wie schon im September 2015 (die GWR berichtete) – zu Aktionstagen gegen Urantransporte auf. Sie wollen den ersten Uranerzkonzentrattransport nach dem 5. Fukushima-Jahrestag, dem 11. März, von Hamburg nach Narbonne Malvési in Südfrankreich mit Protestaktionen begleiten. Uranerzkonzentrat ist der Ausgangsstoff zur Herstellung von atomaren Brennelementen oder Atombomben.

Den Auftakt macht Hamburg am 11.3.2016 ab 16 Uhr mit einer Kundgebung direkt vor den Toren der Uranumschlagfirma C. Steinweg am Süd-West-Terminal.

Die Firma C. Steinweg ist ein Glied der Brennstoffspirale auf europäischem Boden. Sie übernimmt den Umschlag des Uranerzkonzentrats. Die AktivistInnen wollen die einzelnen Glieder der Urankette brechen und die verantwortlichen Unternehmen beim Namen nennen. Die Unternehmen handeln gern nach dem Motto „Gewinne Privatisieren, Risiken sozialisieren“. Wenn sich ein Unfall ereignet, will niemand Verantwortung tragen.

Unfall? Keiner will es gewesen sein

Die aktuellen Entwicklungen im Falle des ehemaligen Werkarbeiters Michel Leclerc sind ein anschauliches Beispiel dafür. Die GWR berichtete über den Fall dieses an einer strahleninduzierten Leukämie erkrankten ehemaligen Mitarbeiters der Uranfabrik von Narbonne Malvési

Die dortige Fabrik ist das Ziel des im Hamburger Hafen umgeschlagenen Uranerzkonzentrats. Michel Leclerc scheiterte Ende Januar 2016 mit seiner arbeitsrechtlichen Klage vor dem französischen Kassasionsgericht (entspricht etwa dem deutschen Bundesgerichtshof). Seine Leukämieerkrankung gilt als Arbeitskrankheit. Das reicht ihm aber nicht. Er will vor Gericht die Anerkennung der schweren Schuld seines damaligen Arbeitgebers und des Betreibers der Anlage erreichen. Seinen damaligen Arbeitgeber, ein Subunternehmen, das für die Betreiberfirma Comurhex Aufträge auf der Anlage erfüllte, kann er aber nicht mehr verklagen, das Unternehmen gibt es nicht mehr. Die Firma Comuhrex ist auch nicht mehr Betreiberin der Anlage. Das Unternehmen gehörte zu 100% zum AREVA-Konzern. Das Gericht hat aber trotzdem entschieden, dass AREVA, die aktuelle Betreiberfirma der Anlage und somit Nachfolgerin der Comuhrex, nicht für die Fehler des damaligen Betreibers und Arbeitgebers in Regress genommen werden kann. Die Atomlobby zieht sich geschickt aus ihrer Verantwortung! Michel Leclerc geht nun vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Sein 20-jähriger Kampf geht weiter.

Gerichtssäle zu Demobühnen

Auch der Kampf der AktivistInnen in Hamburg und entlang der Atomtransportstrecken geht weiter. Sie lassen sich auch nicht von Gerichtsprozessen, die auf Betreiben von C. Steinweg (als strafantragstellende Firma) und der politischen Abteilung der Staatsanwaltschaft gegen sie betrieben werden, einschüchtern. Sie nutzen die Prozesse als politische Bühne. Ein Aktivist, der sich im Sommer 2014 an der Inspektion von Urancontainern auf dem Gelände von C. Steinweg beteiligte (die GWR berichtete), steht seit Dezember 2015 wegen Hausfriedensbruch in Hamburg vor Gericht. Anlässe der Aktion waren mangelhafte Urancontainer, deren längere Zwischenlagerung sowie Falschinformationen des Hamburger Senats über deren Verbleib.

Die zahlreichen, den rechtfertigenden Notstand betreffenden Beweisanträge der Verteidigung machen Richterin Weber zu schaffen. Sie deutete bereits am zweiten Prozesstag an, eine notstandsähnliche Lage zu erkennen. Eine Rechtfertigung für die Aktion sei es jedoch nicht. Die Gefahren der Atomkraft und die Falschinformationen des Hamburger Senats könne man als wahr unterstellen, die Handlung der Aktivist*innen sei jedoch nicht geeignet gewesen, diese Gefahren abzuwenden.

Die Verteidigung stellte daraufhin Beweisanträge zur Geeignetheit und Angemessenheit der Handlung. Was die Richterin merklich ins Grübeln versetze, sie setzte bei der Formulierung ihrer Beschlüssen mehrfach an und zerriss Blätter. Einige Beweisanträge wurden als wahr unterstellt, andere als „bedeutungslos“ eingestuft. Dies führt zu einer unübersichtlichen und zum Teil widersprüchlichen Beweislage. Es ist unklar, wie die Richterin auf Grund dieser Beweisalge ein schlüssiges Urteil sprechen kann – es sei dem sie spricht den Angeklagten frei. Die Richterin scheint inzwischen zu dem Schluss gekommen zu sein, eine Einstellung des Verfahrens sei für alle Beteiligten die bessere Lösung, die Staatsanwaltschaft scheint aber (noch) anderer Meinung zu sein. Der Prozess wird also fortgesetzt.

Den Spieß umdrehen

Um deutlich zu machen, wer nach Auffassung des Angeklagten und seiner UnterstützerInnen wegen der Gefährdung von Menschen und der Verseuchung der Umwelt auf die Anklagebank gehört, reichte der Angeklagte am 4. Verhandlungstag Ende Januar 2016 eine Strafanzeige gegen C. Steinweg ein. Die Anzeige wird durch mehrere Antiatom-Gruppen und AktivistInnen unterstützt. Dort werden die Intransparenz der Vorgänge (Falschinformationen des Hamburger Senats, welche von der verantwortlichen Firma nicht richtig gestellt wurden), die Dauerzwischenlagerung sowie die unsachgerechte Lagerung von atomaren Stoffen auf dem Gelände, angeprangert. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft selbst hatte am zweiten Verhandlungstag die Wahrunterstellung eines Beweisantrages, der Verstöße von C. Steinweg gegen die Strahlenschutzverordnung zum Gegenstand hatte, beantragt. Tätig wurde sie gegen die Umschlagfirma jedoch nicht.

Raus an die Schiene!

Klagen sind schön und gut. Sie sind aber nur ein Aspekt des vielfältigen Antiatom-Widerstands. Aktionen bleiben notwendig. „Atomausstieg ist Handarbeit, das heißt: beobachten, begleiten, eingreifen, blockieren – deshalb dieser Aktionstag. Wer den Atomausstieg will, muss selbst aktiv werden. Also raus an die Schiene!“, heißt es richtigerweise im Aufruf zu den Aktionstagen.

Beteiligt euch! Wir sehen uns im Hafen oder an der Strecke!

Eichhörnchen

Aktuelle Informationen findest Du auf: www.urantransporte.de

Anmerkung:

1) Siehe: Menschenverachtende Politik der Atommafia. Die Uranfabrik Narbonne-Malvési und der Kampf des Arbeiters Michel Leclerc gegen die Leukämie, Interview von Cécile Lecomte mit Michel Leclerc, in: GWR 395, Januar 2015, www.graswurzel.net/395/uran-fra.php