Wohin mit dem Atommüll? Hitzige Auseinandersetzung in Frankreich

Die Auseinandersetzung über ein Endlagersuchgesetz in Deutschland kommt mir im Vergleich zum Geschehen in Frankreich zaghaft vor. Ganz nach der französischen Tradition des Zentralismus hat die Regierung in Paris den Standort Bure in Lothringen, 150 Kilometer Luftlinie von der deutschen Grenze, zum Endlager für hoch radioaktivem Müll erklärt. GIGEO, wird das zukünftige Endlager in Bure genannt. Es steht für Centre Industriel de stockage GÉOlogique = Industriezentrum für geologische Lagerung. Weil die von oben beschlossene und durchgesetzte Atompolitik gerne Akzeptanz gewinnt, indem sie BürgerInnen das Gefühl vermittelt, sie werden informiert und ihre Belangen berücksichtigt, gehört zum Genehmigungsverfahren eine öffentliche Anhörung, débat public genannt. Zahlreiche AtomkraftgegnerInnen hatten zu Beginn der Veranstaltungsreihe im Mai zu einem Boykott dieser Scheindemokratie aufgerufen. Mit Erfolg. Die erste Veranstaltung am 23. Mai musste abgebrochen werden, aus Angst vor erneuten Protesten haben die Veranstalter zwei weitere öffentliche Anhörungen dann auch vertagt. Doch die Auseinandersetzung ist nicht zu Ende. Die öffentliche  Anhörung soll nun unter Polizeischutz weiter gehen.

Die Auseinandersetzung über ein Endlagersuchgesetz in Deutschland kommt mir im Vergleich zum Geschehen in Frankreich zaghaft vor. Ganz nach der französischen Tradition des Zentralismus hat die Regierung in Paris den Standort Bure in Lothringen, 150 Kilometer Luftlinie von der deutschen Grenze, zum Endlager für hoch radioaktivem Müll erklärt. GIGEO, wird das zukünftige Endlager in Bure genannt. Es steht für Centre Industriel de stockage GÉOlogique = Industriezentrum für geologische Lagerung. Weil die von oben beschlossene und durchgesetzte Atompolitik gerne Akzeptanz gewinnt, indem sie BürgerInnen das Gefühl vermittelt, sie werden informiert und ihre Belangen berücksichtigt, gehört zum Genehmigungsverfahren eine öffentliche Anhörung, débat public genannt. Zahlreiche AtomkraftgegnerInnen hatten zu Beginn der Veranstaltungsreihe im Mai zu einem Boykott dieser Scheindemokratie aufgerufen. Mit Erfolg. Die erste Veranstaltung am 23. Mai musste abgebrochen werden, aus Angst vor erneuten Protesten haben die Veranstalter zwei weitere öffentliche Anhörungen dann auch vertagt. Doch die Auseinandersetzung ist nicht zu Ende. Die öffentliche  Anhörung soll nun unter Polizeischutz weiter gehen.

Bure liegt 150km Luftlinie von der deutsch-französischen Grenze in der Großregion Saar-Lor-Lux-Rhein land-Pfalz. Das Dorf hat rund 100 Einwohner und liegt an der Grenze der Departements Meuse sowie Meurthe et Moselle. In der Region sind schon zwei Atommülllager: Soulaines und Velaines für schwach bis mittelradioaktiven Müll. Die Region ist sehr dünn bevölkert, gilt als wirtschaftlich schwach, die Bevölkerung ist überwiegend konservativ eingestellt. Als „Industrie“, die sichere Geldeinnahmen garantieren gelten dort das Militär… und die Atomkraft….

Bure als „Versuchslabor“ für hochradioaktiven Müll wurde von vielen Bürgermeistern akzeptiert, Millionen flossen in die Kassen von Gemeinden, die Zustimmung sei erkauft worden so die Kritiker. Auf der Gemarkung von Bure errichte die französische Atommüllagentur ANDRA (Agence Nationale pour la Gestion des Déchets Radioactifs) ein sogenanntes Versuchslabor für die Endlagerung von hochradioaktivem Müll. Begonnen wurden die Bohrarbeiten in Bure 1994.

Seit dem gibt es auch Widerstand. 2000 wurde trotz Protest aus ganz Frankreich und auch dem angrenzenden Ausland in rund 500 Metern Tiefe ein « Forschungslabor » eingerichtet – ein etwa 500 Meter langer, 4,5 Meter hoher und 3,5 Meter breiter Tunnel. Hier unter suchen Geologen, Chemiker und Physiker – auch aus Deutschland und mit deutschen und europäischen Forschungsgeldern, ob die etwa 130m dicke Lehmschicht für die Einlagerung von hochradioaktiven Abfällen geeignet ist. Nach Angaben der ANDRA ist das Lager zunächst für 6000 Kubikmeter Müll konzipiert. Dies ist die Menge, die seit Inbetriebnahme der heutigen französischen Atomkraftwerke bereits entstanden ist und bis 2030 noch anfallen wird.

Jetzt, dass CIGEO gestartet wird und nach Plan der Regierung, die erste strahlende Fracht 2025 in die Tiefen eingelagert werden soll, erklären die „WissentschaftlerInnen“ unisono, es sei alles sicher, der Untergrund aus Tonstein sei besonders gut geeignet, um den Atommüll zu empfangen: Als Stabil und wasserdicht, wird der geologische Untergrund gepriesen.

Die Untersuchungen von WissenschaftlerInnen, die diese Meinung nicht vertreten werden einfach augeblendet. Die Untersuchung der Geologen Murrot und Muller, die geologischen Verwerfungen im Gebiet gefunden haben, fehlen auf der offiziellen Karte der ANDRA komplett. Irrelevant ist auch, dass das Gebiet einen grundwasserreichen Untergrund hat, was die Gefahr einer radioaktiven Verseuchung erhöht – es geht um die hydrogeologischen Zusammenhänge z.B. bis ins Pariser Becken.

Ich durfte vor einigen Jahren das „Labor“ besichtigen. Der Geologe, der die Besichtigung leitete und wusste, er hatte es mit kritischen AtomkraftgernerInnen zu tun, gab zu, man können keine Sicherheit für Hunderten und schon gar nicht für Tausende von Jahren gewährleisten. Tonstein sei aber stabil und so zu sagen das kleinere Übel, die beste Möglichkeit (unter schlechten Möglichkeiten). Doch, wer den Fahrer einer Tunnelbohrmaschine fragte, bekam ein anderes Bild: die Arbeit sei nicht anstrengend, man müsse sogar Pausen einlegen, damit das alles nach und nach stabilisiert werde. „Das ist wie Butter“, war die Aussage. So viel zur Stabilität des Gestein. Eine ASSE II oder Morsleben ist vorgrammiert.

A propos Asse. Es gibt in der Geschichte einen weiteren Haken: Bure wurde im eklatanten Widerspruch zum Gesetz das drei Forschungsstandorte in unterschiedlichen Gesteine vorschreibt – ausgewählt. Die „Forschung“ an anderen Standorten wurde durch den entschlossenen Widerstand der Bevölkerung verhindert. Mit dem « Forschungslabor » in Bure wurde eine illegale Vorfestlegung auf den Ort vollzogen – und dies nicht nach wissenschaftlichen Kriterien, sondern nach politischen. Aufmerksame LeserInnen werden die Gemeinsamkeiten mit dem Standort Gorleben in Deutschland aufgefallen sein. Und weil die Politik es so will, wurde der Standort Bure für geeignnet erklät und das Projekt bekam seinen tollen Namen CIGEO. Das klingt recherchiert und Professionell und ist für die Gehirnwäsche bei der öffentlichen Anhörung prima geignet….

Als ich bei meinem letzten Besuch in Bure einer öffentlichen Verantaltung beiwohnte und Fragen stellen durfte, konnte ich es nicht lassen, nach den anderen im Gesetz festgeschriebenen Standorte zu fragen. Die Antwort konnte nicht dreister sein: „Wir kooperieren mit anderen Ländern, statt in Frankreich die Forschung zu betreiben. In Deutschland wird beispielsweise in Salzgesteine geforscht, deutsche Forscher sind im Gegenzug in Bure an den Forschungsarbeiten beteiligt“. Salzgesteine? Welche Salzgesteinen werden denn in kooperation mit der ANDRA in Deutschland erforscht? „ Die Asse II“ lautete die Antwort. Für das überwiegend französische Publikum um Saal klang dies nach einer guten Antwort. Doch wer dann weiß, was ist der Asse abgeht... kann nur empört sein. „ Das, was in der Asse geschehen ist, nennen Sie Forschung? Die tausende Atommüllfässer, die vor sich hin rosten und den Untergrund verseuchen??? Die Asse säuft ab! Wenn in Bure genauso ehrlich  » geforscht » wird wie in der Asse, ist das Schlimmte zu erwarten, wenn der Müll kommt “

Diese Anekdote zeigt wie Atommüllpolitik und die Desinformnation der Bevölkerung betrieben werden… Nichts gutes. Aus diesem Grund habe ich mich über die Aufrufe zahlreicher Antiatominitiativen gefreut, die Anhörung zu boykottieren. Die Anhörungen wurden mehr als boykottiert, sie wurde gesprengt! Und das ist gut so! Die örtlichen Medien mussten endlich über den Protest berichten! Es ist im Atomland Frankreich schwierig, sich Gehör zu verschaffen, vor allem wenn Tatsachen schon fest stehen und die Politikern eh gekauft sind.

Für den Boycott gab es viele Gründe, wie hier aus einem Entwurf von „Bure Zone Libre“ zu entnehmen ist

Der internationale Antiatomkraft-Verein „Bure Zone Libre“ ruft zum Boykott der öffent­lichen Anhörung über ”CIGEO“ auf, die vom 23. Mai bis zum 15. Oktober 2013 stattfinden wird.

Was ist ”CIGEO“?

  • CIGEO steht für Centre Industriel de stockage GÉOlogique = Industriezentrum für geologische Lagerung

  • ein Projekt der ANDRA (Agence Nationale pour la gestion des Déchets Radioactifs, = nationale Agentur für die Verwaltung von radioaktiven Abfällen

  • ein irrsinniges Projekt zur unterirdischen Lagerung von mittel- und hochradioaktiven Abfällen mit langer Halbwertszeit (kaum 4% des Atommüllvorkommens die aber 99% der Radioaktivität ausmachen!)

  • eine Bahnanbindung für 100 000 CASTOR-Behälter (nach Schätzung der ANDRA)

  • ein oberirdisches Zwischenlager

  • eine Aufbereitungsanlage (und ihre Schornsteine!) für die Vorbereitung der Behälter

  • riesige Schächte zur Lüftung der vorgesehenen 15 km² an unterirdischen Gängen, die die Abfälle des atomaren Wahnsinns empfangen sollen!

Für uns bedeutet das

  • eine erlaubte radioakt
    ive Verseuchung

  • große atomare Risiken (Unfälle, Lecks usw.)

  • die Atomisierung der Region, die mit ihrer Militarisierung einhergehen wird

  • das Verschwinden von landwirtschaftlichen Flächen

  • ein gerodeter Wald

Dem Aufruf von über 44 Antiatominitiativen folgten am 23. Mai 2013 in Bure 200 Personen und brachten ihren Widerstand gegen das Projekt lautstark zum Ausdruck. Die Sitzung wurde dann nach einer Viertelstunde zunächst unterbrochen und schließlich ganz abgesagt. Daraufhin riefen die Antiatominitiativen zum Boycott der drauf folgenden Verantaltungen. Dies zwei folgnden Sitzungen wurden dann prompt von den Behörden abgesagt.

Am 6. Juni 2013 fand nun einen „runder Tisch“ statt. Doch die GIGEO-GegnerInnen weigerten sich, sich an dieser weiteren „Scheindebatte“ zu beteiligen. Dem Endlagerprojekt im Nachhinein eine demkratische Legitimation zu verschaffen ist beim Auftakt am 23. Mai kläglich gescheitert, es gilt weiterhin durch Protest zu verdeutlichen dass die AtomkraftgegnerInnen der Großregion diese undemokratische Vorentscheidungen nicht akzeptieren. Wir lassen uns nicht auf die Propagandaveranstaltung ohne Entscheidungsrelevanz ein!“ Heiß es bei dem Verein „Bure Zone Libre“

Aus diesem Runden Tisch kamen neue Formulierungen wie «Inbetrachtnahme der öffentlichen Meinungen» oder «vielseitige und der Opposition Rechnung tragende Expertisen». Die Kommission zwinkert den Gegnern zu – oder bekommt sie Angst? Die Reaktion der Behörde kann so oder so ausgelegt werden. Fakt ist, dass das alles Manöver ist, an der Sache ändert sich nichts.

Für den 17. Juni 2013 ist in Bar Le Duc (nächst gelegene größere Stadt in der Gegend um Bure) wurde die nächste öffentliche Anhörung terminiert. Im selben Zug warnen die Behörden, es müsse bei Störungen nun mit einem Polizeieinsatz gerechnet werden. So schön sieht Demokratie aus…

Nicht neues für die AtomkraftgegnerInnen. ”Die Bevölkerung wurde schon beim mit Staatsgewalt durchgesetzten Atomprogramm nie gefragt, soll jetzt im Nachhinein mit einer Alibiveranstaltung Demokratie simuliert werden? Die europäischen Nachbarn werden nicht mal pro Forma einbezogen: oder was ist mit der betroffenen Bevölkerung und den Regierungen in Luxemburg, im Saarland, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz?“

Ein Polizeieinsatz mehr: So wird Atompolitik seit jeher gemacht und durchgesetzt…Die Atomlobby kann nicht anders.


„Lassen wir uns nicht unterkriegen, der Kampf geht weiter,“ heißt es bei den AtomkraftgnerInnen.

Und am 30. Juni 2013 gibt es eine Antiatomdemonstration in Colmar  gegen das Endlager Bure, gegen das AKW Fessenheim und andere kriminellen Machenschaften der Atomindustrie und -Politik –  ich werde dort einen Redebeitrag halten.


Es lohnt sich, dass Geschehen in Frankreich zu verfolgen. Die Entwicklungen können spannend werden und es bedarf grenzenlosem internationalem Widerstand!

Update vom 19. Juni 2013 …. Die Veranstaltung in Bar Le Duc musste nun wegen Protest auch unterbrochen und letzlich gänzlich gecancelt werden!


Bericht der Protestaktion in Bar-le-Duc durch ;Menschen aus dem Widerstand vor Ort:

« Am Montag war in Bar-le-Duc eine Sitzung im Rahmen der « Débat public »  (Pseudo-Bürgerbeteiligung ohne Relevanz..) zum Endlagerprojekt Bure. Laut BureStop waren bis zu 400 Leute da.  Ein Teilnehmer berichtet untenstehend von 150-200 Gegner/innen.  Anscheinend wurde die Durchführung der Veranstaltung, wie auch die Male  zuvor, durch massive Störungen verhindert, sodass sie nach einer Stunde  abgebrochen wurde. Es hat keine gewalttätigen Zwischenfälle oder  Festnahmen gegeben. Die Gegner/innen habe auf alle erdenklichen Arten  Lärm gemacht. Außerdem haben lokale Abgeordnete eine Petition mit 60.000  Unterschriften präsentiert, die ein nationales Referendum fordert.

Für die CNDP (Veranstalter-Behörde) stellt diese Sabotage anscheinend ein großes Problem dar,  da die vorherige erfolgreiche Durchführung einer solchen öffentlichen  Debatte durch die Aarhus-Konvention (http://www.aarhus-konvention.de)
vorgeschrieben ist.

Aufgrund der großen Anzahl der Protestierenden und ihrer Strategie, sich  « in zivil » in die Veranstaltungen einzuschleichen und dann – gewaltfrei – loszulegen, sind sie anscheinend für den staatlichen Repressionsapparat  kaum zu greifen.

Die für morgen (heute) vorgesehene Sitzung in Nancy wurde inzwischen auch abgesagt. Eine Gegenveranstaltung wird um 18 h vor dem Palais des Congrès stattfinden.« 

Info-Seiten auf Deutsch und Französich

Stopp Bure (Seite von Widerstandsgruppen, überwiegend auf Französisch): www.burestop.eu

Bure Zone Libre (Seite des Widerstandshaus in Bure, überwiegend auf Französisch): http://burezoneblog.over-blog.com/

Antiatomnetz Trier (Zahlreiche aktuelle Infos aus Deutsch!): http://antiatomnetz.blog.de/

Pandor (Hintergrundinformationen zu Gigeo auf Französisch) http://pandor.at/