Kurzes Eichhörnchen-Kommentar zum Wasserwerfer-Prozess in Stuttgart.
Der „schwarze Donnerstag“ ist den Menschen aus dem Widerstand gegen Stuttgart 21 in Erinnerung geblieben. Mit Wasserwerfern schoss die Polizei auf DemonstrantInnen los, mit Knüppeln prügelte sie auf sie ein. Das Ergebnis waren zahlreiche, zum Teil schwer verletzte DemonstrantInnen.Viele Menschen wurden traumatisiert. Dass die Menschen nach „Gerechtigkeit“ rufen ist nach einer solchen Erfahrung nachvollziehbar. Der Prozess gegen am Wasserwerfereinsatz beteiligten Polizeibeamten weckte solche Erwartungen. Man will doch ein bisschen an Rechtsstaat und Gerechtigkeit glauben.
Wenn man seine Stimme samt Verantwortung in die Wahlurne an die Grünen abgibt, heiß es nicht, dass das Projekt S21 gestoppt wird, auch wenn die Grünen dies versprochen haben. Bei der Justiz ist es genauso. Es empfiehlt sich nicht auf Gerechtigkeit und den Rechtsstaat zu pochen. Der Staat bricht die eigenen Regeln und Gesetze um das System aufrecht zu erhalten.
Einstellungen von Straferfahren wegen „Geringfügigkeit“, die im ersten Rechtszug vor dem Landgericht stattfinden, kommen selten vor. Dass das Verfahren vor dem Landgericht stattfindet, deutet schließlich auf schwerwiegende Vorwürfe. Im Fall des Wasserwerfereinsatzes ist darüber hinaus unstrittig, dass Menschen durch den Einsatz zu Schaden gekommen sind, ein Mensch verlor sogar das Augenlicht.
Die politische Justiz in Stuttgart lehrt uns aber, dass schwere Körperverletzungen als „geringfügig“ angesehen werden können, wenn sie durch Polizisten begangen worden sind. Die armen Beamten haben nur eine geringe Schuld, sie haben ja nur Befehle ausgeführt. Wie bequem Hierarchie sein kann. Es gibt für die Verfolgung kein öffentliches Interesse. Man kann das Verfahren gegen die Zahlung von einer Geldauflage einstellen. Die Beamten können somit im Dienst bleiben. Und der grüne Ministerpräsident zeigt sich mit der Einstellung zufrieden, das erspart ihm ja ein Auftreten als Zeuge.
Dies weckt zweifel an der angeblich politischen Neutralität der Justiz. „ Wir haben uns beim Thema „Stuttgart 21“ von Anfang an auf eine Linie festgelegt. Diese ist nicht von Willkür geleitet. Es liegt ein besonderes Interesse an der Strafverfolgung vor […] » erklärte Ex-Oberstaatsanwalt Häußler in einem interview mit der Stuttgarter Zeitung am 18.12.2012. Wirklich?
Interessant, dass diese „Linie“ nur für die Gegner vom Milliardengrab Stuttgart 21 gilt! Wenn ich allein auf „meine“ Strafverfahren ist Stuttgart zurück blicke. Im Prozess um die Baggerbesetzung am Nordflügel kamen weder das Gericht noch die Staatsanwaltschaft auf die Idee, das Verfahren einzustellen. Das öffentliche Interesse wurde bejaht. 3 Verhandlungstage in der ersten Instanz , 7 in der zweiten. Für 30 Tagessätze, für ein Hausfriedensbruch ohne Haus und ohne Frieden. Für eine Handlung weder einen materiellen schaden verursachte, noch Menschen gefährdete. (BerichtUrteil 1. instanz, Bericht Urteil 2. instanz)
Im Rathausbesetzungsprozess, wo ich als Verteidigerin mitgewirkt habe, ging es ebenfalls um Hausfriedensbruch. 7 Verhandlungstage gab es in der ersten Instanz. Gegen das Urteil in Höhe von 15 Tagessätzen hat die Staatsanwaltschaft sogar versucht in Berufung zu gehen (Annahmeberufung bei Strafen bis 15 Tagessätzen), um eine Revision der Verteidigung zu verhindern (die Berufung ist abgelehnt, unsere Revision läuft inzwischen). Ja, so groß ist das öffentliche Interesse der STAATsanwaltschaft an der Strafverfolgung.
Die Schuld von Polizeibeamten, die mit ihren Wasserwerfern auf sitzenden DemonstrantInnen schießen und diese schwer verletzen ist dagegen gering.
„Ich will den Rechtsstaat lieben, aber ich schaffe es einfach nicht“
(Frei nach dem Song von Funny von Dannen, „ich will den Kapitalismus lieben“)