Umweltaktivistin gewinnt Klage gegen den Verfassungsschutz Niedersachsen

Seit dem Jahr 2005 speicherte der niedersächsische Verfassungsschutz Niedersachsen Daten über die in Lüneburg lebende Umwelt- und Kletteraktivistin Cécile Lecomte. Sie hat nach einem 4-jährigen Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg und einem sogenannten „in Camera“ Verfahren mit geschwärzten Akten vor dem Oberverwaltungsgericht erreicht, dass der Verfassungsschutz die über ihre Person gespeicherten Daten löscht (Az. 1 A 375/15  und später Az. 4 A 10/19).

Überwacht wurde die Aktivistin, weil sie « umfangreiche Aktionen zur Unterstützung linksextremistischer Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs. 1 NVerfSchG durchgeführt » habe, so der Verfassungsschutz. Gemeint war somit ihr vielfältiges Engagement als Atomkraftgegnerin, Antimilitaristin und  Degrowth-Aktivistin. Dies belegte die Behörde vor dem Verwaltungsgericht jedoch nicht. Der Verfassungsschutz muss die Kosten des Verfahrens tragen.

Breif Verfassungsschutz löscht Daten

Seit dem Jahr 2005 speicherte der niedersächsische Verfassungsschutz Niedersachsen Daten über die in Lüneburg lebende Umwelt- und Kletteraktivistin Cécile Lecomte. Sie hat nach einem 4-jährigen Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg und einem sogenannten „in Camera“ Verfahren mit geschwärzten Akten vor dem Oberverwaltungsgericht erreicht, dass der Verfassungsschutz die über ihre Person gespeicherten Daten löscht (Az. 1 A 375/15  und später Az. 4 A 10/19).

Überwacht wurde die Aktivistin, weil sie « umfangreiche Aktionen zur Unterstützung linksextremistischer Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs. 1 NVerfSchG durchgeführt » habe, so der Verfassungsschutz. Gemeint war somit ihr vielfältiges Engagement als Atomkraftgegnerin, Antimilitaristin und  Degrowth-Aktivistin. Dies belegte die Behörde vor dem Verwaltungsgericht jedoch nicht. Der Verfassungsschutz muss die Kosten des Verfahrens tragen.

Aus den dem Verwaltungsgericht vorgelegten Akten lässt sich entnehmen, dass der Verfassungsschutz sich insbesondere für die Antiatom-Kletteraktionen und Vorträge der Klägerin interessierte.

Bericht zur aak Berlin 2012Erwähnung finden Antiatom-Konferenzen inklusive Spitzelbericht, Abseilaktionen gegen Atomtransporte, Protestaktionen gegen die Bundeswehr, Redebeiträge auf Demonstrationen oder auch Lesungen mit ihrem 2014 erschienen Buch „Kommen Sie darunter! Kurzgeschichten aus dem politischen Alltag einer Kletterkünstlerin“. Selbst eine Ordnungswidrigkeit die mit 5 Euro Bußgeld bestraft wurde, findet dort explizit Erwähnung.

In ihrem Buch kommentierte die Aktivistin ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz, den sie als Verfassungssch(m)utz titulierte: 

„Warum ist Baumklettern so staatsgefährdend? Gibt es ein Gesetz à la »Du sollst dich ausschließlich horizontal bewegen«? Warum interessiert sich der Verfassungssch(m)utz mehr für’s Baumklettern als für mordende Neonazis?

Nach einem richterlichen Hinweis im Sommer 2019, wonach das Gericht anhand der vorgelegten  Akten keine verfassungsfeindliche Handlungen erkennen konnte, erklärte sich der Verfassungsschutz bereit, die gespeicherten Daten zu löschen, die Speicherung sei zur Aufgabenerfüllung des niedersächsischen Verfassungsschutzes nicht mehr erforderlich, so die Behörde.

Weshalb die Speicherung zuvor gerechtfertigt gewesen sein soll, wird wohl das Geheimnis der Behörde bleiben. Sie legte keine Belege vor, sodass das Gericht mit Bezug auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln (Az.: 20 K 2331/08) zur materiellen Beweislast, nach Erledigung der Klage durch Löschung der Daten, der Behörde die Kosten des Verfahrens auferlegte.

„Unabhängig davon, ob der Beklagte die personenbezogenen Daten rechtmäßig erhoben hat, sind jedenfalls vom Beklagten die tatsächlichen Voraussetzungen für eine fortlaufende Speicherung vom Zeitpunkt der Erhebung (augenscheinlich erstmals seit dem Jahr 2005) bis heute nicht dargelegt. Diese ergeben sich auch nicht aus den rudimentär vorgelegten Akten.“

Schrieb das Gericht.

„ Ich freue mich, diese Klage gewonnen zu haben“ erklärt Lecomte. Sie bleibt aber skeptisch. „Es gibt keine Rechtssicherheit. Die Behörde entscheidet nach Gutdünken, wen sie überwacht oder nicht. Es besteht keine Sicherheit, dass die Überwachung morgen nicht wieder aufgenommen wird.“

Gründe für Misstrauen hat die Aktivistin genug. Vor Kurzem erfuhr sie zufällig davon, dass eine (Polizei)behörde – welche ist ihr nicht bekannt – sie wegen ihrer politischen Aktivitäten auf eine Liste Namens „Schengen-Fahndung zur Pol. Beobachtung“ gesetzt hat. Dies führe im Alltag zu unangenehmen Polizeikontrollen und zur Speicherung von noch mehr Daten als sonst in polizeilichen Datenbanken. Vorbestraft ist die Aktivistin nicht.

Lecomte stieß auf auf das Dokument bei einer Akteneinsicht in ein – inzwischen nach § 170 II StPO eingestelltes – Ermittlungsverfahren zu einer Abseilaktion gegen einen Urantransport 2018 bei Koblenz. Das Dokument befindet sich eher zufällig in der Akte. Es ist als Verschlusssache nur für den Dienstgebrauch eingestuft.

„Wer sich politisch  – insbesondere gegen die Atomkraft und Militarismus – engagiert, wird als Staatsfeind behandelt und kommt nie aus den Mühlen der polizeilichen Datenbanken und Überwachung“, fasst Lecomte zusammen.

Dokument Verschlussache